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Glaube - weniger nicht!

Als der geliebte Mensch seinen letzten Atemzug getan hatte, versammelten sich die Trauernden. Einige weinten still. Einige schluchzten laut. Einige blickten starr. Einige schauten sich in die Augen. Jeder auf seine Weise.

"Der Tod ist nicht das Ende", sagte jemand zögernd.

"Ach, das ist nur Glaube, mehr nicht!", entgegnete jemand.

Das war der Moment, in dem der ewig kleine Prinz das Trauerhaus betrat, der kleine Prinz, der vor vielen Jahren mit dem Dichter Saint-Exupéry die Welt bereist hatte, der von seinem kleinen Planeten zurückgekommen war, um die Menschen noch besser kennen zu lernen.

Die beiden Sätze "Der Tod ist nicht das Ende" und "Nicht mehr, als Glaube!" wuchsen zur Frage an, die nun im Raum lag. Und alle Blicke trafen sich beim kleinen Prinzen, hoffend, zweifelnd und suchend.

"Wenn ihr wirklich sucht, so helfe ich euch gern. Lasst uns sehen, was es über das Vergängliche hinaus auf eurer Welt gibt", bot er den Trauernden an.

Einige ergriffen seine ausgestreckten Hände, und sogleich waren sie mit ihm auf einer Reise durch Raum und Zeit.

Gemeinsam besuchten sie eine indianische Trauerfeier und hörten: "Du bist nun dort, wo die blaue Ebene sich ins Unendliche ausdehnt, im Land voller Wonne und Ruhe, wo die Seligkeit wohnt!"

Im nächsten Augenblich fanden sie sich im antiken Griechenland wieder. "Die Verstorbenen sind im Gefilde der Seligen, wandern über Wiesen, auf denen ewiger Frühling herrscht", rief man ihnen hier zu.

Der kleine Prinz führte sie weiter durch Raum und Zeit. Sie sahen Könige kommen und gehen, Länder enstehen und veschwinden, Kulturen wachsen und versinken.

"Der Tod ist der Übergang in eine heilige, friedvolle Welt ohne Krankheit, ohne Leid, ohne Überheblichkeit, bar jeder Ungerechtigkeit", sangen die einfachen Menschen auf den Höhen des Hindukusch.

"Gott hat den Schleier schon manches Mal gelüftet und uns einen Blick ins Paradies gewährt", jubelten Nomaden in der arabischen Wüste, "Harmonie haben wir gesehen, weder Mangel noch Überfluss."

"In den Tiefen eurer Seele liegt das Wissen über das Jenseits. Schaut und ihr werdet sehen, das das Leben zwar in den Tod mündet, doch nicht ins Nichts, so wie der Fluss ins Meer mündet, aber nicht ins Nichts," rief ein Prophet ihnen zu.

"Da ist ein Jenseits ohne Armut, ohne Furcht vor Krankheit; man sieht keine Beleidiger und keine Beleidigten; keine Grollenden und keine Neider. Alles wird friedlich sein, heiter und ruhig. Ein Licht wird strahlen, heller als alles Licht, dass ihr je gesehen habt", tröstete in einer kleinen syrischen Stadt ein Weiser, den man Chrysostomos nannte, was zu deutsch Goldmund bedeutet.

"Es wird ein neuer Himmel und eine neue Erde sein. Feiern werden wir und schauen, schauen und lieben, lieben und loben," ergänzte fern von ihm ein Mann namens Aurelius Augustinus.

Die Suchenden verweilten auf ihrer Reise einige Augenblicke an einem römischen Grabstein des 3. Jahrhunderts, um zu lesen: "Der Verstorbene ist hineingenommen in die kristallhell strahlende Fülle des Lichts."

So reisten durch Jahrhunderte und Jahrtausende, durch Länder, Kulturen und Religionen.

Schließlich setzten sie sich zu einem Mann, namens Paulus. Er sprach zu ihnen: "Ihr sollt schon wissen, Unsterblichkeit gibt es nicht. Gott allein ist unsterblich. Ihm gehört das Leben. Der Körper ist vergänglich, doch was zum Leben kommt, ist unvergänglich, stark und schön."

In diesem Augenblick waren sie zurück in ihrem Trauerhaus, als habe diese Reise nur einen Wimpernschlag gedauert. Der kleine Prinz musste weiter und so waren sie nun wieder auf sich allein gestellt.

"Der Tod ist nicht das Ende", sagt jemand.

"Das ist nur Glaube!", ruft jemand, "mehr nicht!"

"Wir haben gesehen, dass Alles vergänglich ist", riefen die Suchenden, "gesehen, wie Hochkulturen im Wüstensand versanken, wie Alles, was den Menschen so wichtig ist, von der Zeit gefressen wurde. Doch der Glaube widerstand, und mit ihm Hoffnung und Liebe. Diese drei blieben lebendig - über alle Grenzen der Zeit, der Kulturen und Religionen hinweg. Die Zeit hat keine Macht über sie. Wenn Wahrheit das ist, was bleibt und ewig Bestand hat, was könnte dann wahrer sein."

"Das ist nur Glaube, mehr nicht?", fragte jemand zögernd.

"Weniger nicht", entgegnete jemand bestimmt, "weniger nicht als Glaube, und damit auch Hoffnung und Liebe, weniger nicht."

"Wir werden uns wiedersehen in der Ewigkeit. Adieu! Geh mit Gott!", rief jemand dem Verstorbenen zu, erfüllt von dem, was aller Zeit trotzt: Glaube, Hoffnung, Liebe.

Text: Frank Maibaum / Aus seinem Buch:

Liebe wird sein, Liebe, was sonst!

 

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