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Der ewig kleine Prinz ging, den Fuchs noch einmal zu treffen, mit dem er so gern an der Lichtung im Wald saß und über die bedeutenden Fragen des Lebens sprach.
"Nun geht auch diese meine Reise dem Ende zu", sagte der kleine Prinz.
"Jede Reise hat ein Ende", sagte der kleine Fuchs, "aber du hast wieder viel gelernt über Geburt und Tod, über Freude und Trauer, Hoffnung und Verzweiflung."
"Ja", sagte der Prinz", "und gelernt, dass Vieles anders ist, als es scheint. Manche reichen Menschen sind bei genauer Betrachtung sehr arm und manche, die wenig Besitz haben, sind doch sehr reich. Manches Große ist eigentlich unbedeutend und manches Kleine kann weltbewegend sein. In mancher Schönheit liegt Hässlichkeit und scheinbar Hässliches kann voll Schönheit sein."
Der Fuchs schwieg.
"Diese Erkenntnis scheint mir sehr bedeutend", sprach der kleine Prinz weiter. "Das Bemerkenswerte im Leben der Menschen verbirgt sich oft wie hinter einer von Eis bedeckten Fensterscheibe."
"Man muss kratzen, um zu erkennen", sagte der Fuchs.
"Doch schnell ist das Eis wieder da und der Blick wieder getrübt", warf der Prinz ein. "Erst wenn Wärme das Eis schmelzen lässt, sieht man die Dinge des Lebens in neuem Licht. Man erkennt sogar, dass manches, das voll Leben scheint, längst vom Tod umfangen ist und mitten im Tod sieht man das Leben."
"Mitten im Tod sieht man das Leben", wiederholte der Fuchs bedächtig prüfend.
"Lass dich in Gedanken in eine Trauerhalle führen", sagte der kleine Prinz, "du wirst sehen."
Der Fuchs schwieg.
"Und?", fragte der Prinz, nachdem er dem Fuchs eine Weile Zeit gelassen hatte.
"Kälte, Einsamkeit", sagte der Fuchs, "Tränen der Trauer, zerstörte Seelen, Trennung, Verzweiflung, Schluchzen, Leere, Leiden, zerrissene Verbindung, Ende, Tod - all das sehe ich."
"Wärme", sagte der Prinz, "die Wärme der Herzen, Tränen der Liebe, Licht des Dankes sehe ich, Erinnerungen an glückliche Zeiten miteinander, Verbundenheit, haltende Hände, die Fülle der Sehnsucht, Worte des Trosts, Mitgefühl, ein Netz, dass die Menschen verbindet, miteinander und mit denen, die nicht mehr bei uns sind, Liebe über den Tod hinaus - all das sehe ich. Wo kann die Fülle des Lebens deutlicher sein. Ich sehe Leben!"
"Du schaust mit anderen Augen", sagte der Fuchs.
"Mit den Augen der Liebe; so kann man sehen, wenn Liebe das Herz wärmt", sagte der Prinz.
"Ich verstehe; doch wie kann Kleines groß sein und Großes klein; wie kann im Reichtum Armut liegen und in der Armut Reichtum, wie kann ..."
"Genau so", unterbrach ihn der Prinz, "genau so. Wenn ich wieder bei dir bin, werden wir darüber reden. Doch du wirst es selber sehen. Denke daran: Der Schlüssel ist die Liebe."
"Wenn Liebe das Herz wärmt, sieht man mit neuen Augen", murmelte der Fuchs, während der Prinz ihn verließ. "Selbst im Tod kann Leben liegen. Man erkennt es deutlich, wenn man mit den Augen der Liebe sieht."
Text: Frank Maibaum / Aus seinem Buch:
Liebe wird sein, Liebe, was sonst!
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aus "Der kleine Prinz" von Antoine de Saint Exupéry gesammelt.